Ostern in Dnipro
- Milan
- 20. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Über das Osterwochenende ist eine einseitige Feuerpause angekündigt worden. Auf dieser Seite der Grenze wittert man eine Falle, es soll Bereitschaft für Frieden signalisiert werden, diverse Kanäle berichten jedoch über weitere Provokationen und Beschüsse. Sollte darauf reagiert werden, wird die Schuld klar auf die Ukraine geschoben werden und die Angriffe gehen weiter, möglicherweise in verstärkter Intensität wie schon lange befürchtet.
Hier in der Stadt gab es in der Tat nur noch einmal Luftalarm seit gestern 18 Uhr, ohne tatsächliche Sichtungen oder Explosionen. Das Osterwochenende besticht währenddessen mit traumhaftem, fast sommerlichem Wetter, die Promenade am Dnepr ist belebt, die Bäume blühen in voller Pracht und die Grünstreifen sind voller Tulpen, die Farbpracht ist fast überwältigend. Und wieder einmal ist die Realität des Krieges so weit entfernt, während man an Gruppen von Jugendlichen die laut Musik am Flussrand hören entlangläuft, die Motorradfahrer auf den Hauptstraße die Maschinen aufheulen lassen und Selfies vor dem „I love Dnipro“-Symbol geschossen werden. Auch das Bier und das Essen im Restaurant direkt neben dem Wasser schmecken nach Urlaub.
Im Kontrast dazu geht es heute Nachmittag für mich nach Sumy. Wir behalten das selbe Auto, müssen wenig auffüllen und haben die Woche über in demselben Team gut funktioniert, wenn auch ohne besonders große Herausforderungen. In der Zwischenzeit habe ich mich ein wenig mit Antibiotikatherapie bei Kriegsverletzungen auseinandergesetzt, ein Problem das auch auf den Intensivstationen in Deutschland bei Kriegsversehrten auftritt ist und seinen Ursprung sehr wahrscheinlich schon früh während der Erstversorgung sieht – für uns als Transportmittel schwer zu beeinflussen, dennoch finde ich das Thema interessant und wichtig.
Wieder einmal baut sich etwas Anspannung auf – die Frontlinie wird jetzt nicht mehr 100, sondern 30 Kilometer entfernt sein. Viel Vorfreude habe ich auf das gesteigerte Anforderungslevel auf den Transporten von Schwerstverletzten, auch die Aussicht Kyiv als häufigstes Ziel kennenzulernen macht mich neugierig. Ich nehme nur einen Rucksack mit dem Notwendigsten mit, die Unterkunft ist in Sumy viel einfacher in Viererzimmern eines Wohnheims neben den Teams von Ärzte ohne Grenzen, denen wir dort zugeordnet sind. Vermutlich werde ich nach dem folgenden Wochenende, nun in die „volle“ Rotation gerutscht, in Sloviansk im Oblast Donezk eingesetzt. Bis dahin erwartet mich noch eine sicherlich an Eindrücken reiche Woche im Norden.
Frohe Ostern!

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